„Die Werkstätten sind kein Heimatersatz, aber ein Halt“

Die Therapeutischen Werkstätten der Karlshöhe beschäftigen Menschen mit besonderen psychischen und sozialen Schwierigkeiten. Etwa 70 Personen arbeiten in Ludwigsburg im Bereich Holzbearbeitung und Druckerei. Sie finden über sinnvolle Beschäftigung wieder in eine Tagesstruktur. Die Einrichtung hat ihre Wurzeln im Jahr 1968, der Neubau wurde 2015 bezogen. Es gibt eine Außenstelle in Bietigheim.

Wie die meisten hier weist Paul* eine klassische Suchterkrankung auf. Schon als Lehrling wird er von den Kollegen bereits am Vormittag animiert, Alkohol zu trinken. Aus einer Flasche Bier werden im Lauf des Tages viele. Oft ist er am Feierabend bereits stark beeinträchtigt. In der Freizeit konsumiert er weiter – auch harte Sachen. Am nächsten Tag ist er mitunter immer noch alkoholisiert. Die Nacht hat nicht gereicht, die hohen Promille abzubauen.

Pauls Leistungen lassen rapide nach und er verliert seinen Job. Parallel dazu geht seine Beziehung in die Brüche, Freunde und Verwandte kehren ihm den Rücken. Die Wohnung wird ihm gekündigt. Er ist allein, weil er trinkt und er trinkt, wenn er allein ist. Zunehmend häufiger und ständig mehr. Paul schlittert immer tiefer hinein in einen Teufelskreis aus Resignation und Isolation.

*Name redaktionell geändert

Der Weg auf die Karlshöhe

Mit Anfang 40 zieht Paul die Reißleine und holt sich Rat bei der Suchtberatung, die Agentur für Arbeit übernimmt die Kosten für die therapeutische Maßnahme. Über die Sozialberatung kommt er schließlich auf die Karlshöhe. Viele nehmen den gleichen Weg. Georg Walz, Schreinermeister und pädagogischer Arbeitsanleiter der Holzwerkstatt, sagt: „Betroffene müssen von sich aus, die Einsicht haben, dass es so nicht weiter gehen kann und bereit sein, etwas zu ändern.“ Alles andere mache keinen Sinn.

Nach einem Vorstellungsgespräch werden Paul die unterschiedlichen Bereiche der Werkstätten gezeigt: Die Industriemontage, die Druckerei, die Holzwerkstatt. Aber auch die Kolleg*innen der so genannten Grünen und der Grauen Gruppe, die für Gartenpflege und Sanierungen zuständig sind, lernt er kennen. Er lernt die Unterstützung der Hauswirtschaft schätzen, die sich darum kümmert, dass in den Betriebs-, aber auch Wohnräumen des Bereiches, im Haus auf der Wart, den Häusern „Doppelpunkt“ oder „AmPel**“ alles rund läuft. Auch bei den Metallern wird vorbeigeschaut. „Wir suchen für jeden die passende Aufgabe“, erklärt Georg Walz, der die Arbeit als Medium sieht, das Hauptziel zu erreichen: Tagesstruktur. Aber er betont auch: „Die Werkstatt ist kein Heimatersatz, aber ein Halt.“

** Abstinenzferne mehrfachbeeinträchtigte Personen erhalten Langzeithilfe

Konzept der zieloffenen Suchtarbeit

Paul ist handwerklich geschickt und ihn reizt die Technik. Also entscheidet er sich für die Holzwerkstatt. Bis er aber an die Maschinen darf, muss er erst eingepegelt werden. Bei Arbeitsbeginn darf er nur geringfügig Alkohol im Blut haben. Wenn er frühmorgens schon deutlich nach Alkohol riecht oder erkennbare Koordinationsprobleme hat, wird er wie alle anderen auch, von den neun Betreuer*innen zurück ins Wohnhaus geschickt. Die Betroffenen sollen lernen, ihre Suchterkrankung, die ein Leben in Abstinenz häufig nicht mehr möglich macht, in einem gewissen Rahmen zu steuern. Dabei dürfen Sie dosiert trinken. Bei diesem Konzept der zieloffenen Suchtarbeit kann die Karlshöhe auf lange Erfahrung zurückgreifen.

Paul fängt mit einfachen Arbeiten an. Er schleift die Kanten von Brettchen und leimt die Rahmen für die Bienenbeuten. Es sind die Verkaufsschlager der Schreinerei, die in der Imkerszene einen sehr guten Ruf genießen. Weitere Aufträge erfolgen durch Unternehmen oder Kommunen, Einiges an Holzkreationen wird auch für den hauseigenen Werkstattladen produziert: vom Schlüsselanhänger über das kunstvoll klappbare Nähkästchen bis zum Notenständer.

Fuß gefasst im ersten Arbeitsmarkt

Der 48-Jährige entwickelt sich zuverlässig und er arbeitet verlässlich. Als die Zeit reif ist, darf er nach gründlicher Einweisung an die Bandsäge, an die Fräsmaschine, an den Hobel. Insgesamt ist Paul sechs Jahre auf der Karlshöhe. Er findet schließlich einen regulären Job auf dem ersten Arbeitsmarkt, bewährt sich als Maschinist und bekommt eine Festanstellung.

Für Wolfang Kilper und Georg Walz sind solche Erfolgsgeschichten der Treibstoff für ihre tägliche Arbeit. Dabei nehmen sie ihren pädagogisch-diakonischen
Arbeitsanteil sehr ernst, zu dem beispielsweise regelmäßige Feedback-Gespräche gehören. „Wir fordern mit klaren Ansagen, aber ohne zu überfordern; bei uns stehen Unterstützung und Begleitung ganz vorn und der Mensch stets im Mittelpunkt“.

Fotos: Stefan Morgenstern

Geheimtipp Werkstattladen

Dirk Petersen freut sich über Kundschaft. Er leitet den Werkstattladen der Karlshöhe. Hier werden die Produkte der Therapeutischen Werkstatt verkauft.

Neustart in der Insektenhotel-Manufaktur

In der Therapeutischen Holzwerkstatt der Karlshöhe werden kunstvolle Insektenhotels in anspruchsvoller Handarbeit und zahlreichen kleinteiligen Arbeitsschritten aus Naturhölzern gebaut. Das bietet Arbeit für Menschen, die aus der Gesellschaft herausgefallen sind und hier wieder gebraucht werden.

„Die Werkstätten sind kein Heimatersatz, aber ein Halt“

Die Therapeutische Werkstatt der Karlshöhe beschäftigt Menschen mit besonderen psychischen und sozialen Schwierigkeiten. Etwa 70 Personen mit Unterstützungsbedarf arbeiten hier. Sie finden über sinnvolle Beschäftigung wieder in eine Tagesstruktur.

Sinnvolle Beschäftigung als Wegweiser

Zur Therapeutischen Werkstatt der Karlshöhe zählt die Druckerei. Dort steht eine ältere Offset-Druckmaschine, an der in liebevoller Handarbeit vielfältige Drucksachen entstehen. Auftraggeber*innen sind Kirche, Diakonie, Wirtschaft und öffentliche Hand.

Ein Besuch in der Therapeutischen Werkstatt Bietigheim

Die Menschen, die an großen Tischen sitzen, arbeiten am Bildschirm, an einer Maschine oder handwerklich. Was allen gemein ist: Sie haben eine Aufgabe – ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechend.