Er ist und bleibt politischer Christ. Parteiunabhängig bildet sich Horst Haar schon immer seine Meinungen, urteilt aber nie. „Das Evangelium hat eine politische Dimension. Deshalb ist es Christenpflicht sich einzubringen.“ Jetzt wurde der Vorsitzende des Karlshöher Diakonieverbands verabschiedet. Zum zweiten Mal geht der 73-Jährige in „Teilzeitrente“.
Aufgewachsen ist Horst Haar in Nellingsheim, einer evangelischen Enklave, die fast vollständig von der Diözesanstadt Rottenburg „umzingelt“ ist. Dort besucht er acht Jahre lang die kleine Dorfschule, in der es nur eine Klasse für alle Schüler gibt. „Es war eine schöne Zeit, aber gelernt habe ich nicht viel.“ Anschließend macht er eine Ausbildung zum Mechaniker. In der Abendrealschule holt er parallel zur Arbeit die mittlere Reife nach. Da war er 18 Jahre alt und bereits Ausbilder von Lehrlingen.
Er arbeitet Akkord. Haar sattelt um auf ein ganz anderes Pferd. Auf der Karlshöhe macht er die Ausbildung als Erzieher und Religionspädagoge, wird Diakon. An der Fachhochschule in Reutlingen studiert Haar Sozialpädagogik. Er arbeitet fast zehn Jahre lang als Ehe-, Familien-, Lebens- und Sozialberater, bevor er zum Geschäftsführer des diakonischen Werks Tübingen berufen wird. Den Job macht er 24 Jahre lang. Dann tritt er 2012 seinen ersten Ruhestand an. Altersteilzeit mit 62 Jahren, dachte er.
Denn kurz darauf klingelt bei Ihm das Telefon. Er erinnert sich an das Gespräch mit weitreichenden Folgen. Es war sein Karlshöher Mitbruder und Freund Horst Krank. Der kam sehr schnell zu Sache: Der Diakonieverband suche einen neuen Vorsitzenden und da habe man an ihn gedacht. „Damit hatte ich im Leben nicht gerechnet“. Daraus wurden zwölf Jahre intensiver, aufwändiger und vielfältiger Arbeit, statt als Rentner auf dem Sofa zu liegen und zu lesen. Insgesamt ist er in diesen Jahren mehr als 10.000 Kilometer mit Auto und Bahn für den Verband in vielfältigen Diensten ehrenamtlich unterwegs. „Dadurch bin ich reich beschenkt worden.“
Viele Fragen trieben ihn um. Zum Beispiel: Wie kann geistliche, persönliche und fachliche Begleitung, die Vertretung berufspolitischer Interessen in Kirche und Diakonie und die Mitgestaltung diakonischer Lebensverhältnisse gelingen? Was macht den Verband attraktiv, wie kann weiterhin die hohe Zufriedenheit der Mitglieder und die unterschiedliche Bindung der Schwestern und Brüder erhalten bleiben? Oder welche Zukunftsträume haben wir von unserer Gemeinschaft, Kirche und Leben? Was hält Diakonische Gemeinschaft zusammen, was ist ihr bleibender Auftrag? Themen waren auch, die steigende Anzahl von Ruheständlern als Chance und Aufgabe oder die Stärkung der Kontakte unter den Diakonen. Die Rolle des Diakonieverbands innerhalb der Kirche. Der Diakonieverband ist ihm mehr als eine Solidargemeinschaft, sondern gelebte Glaubensgemeinschaft. „Wir dürfen die religiöse Dimension vor lauter Fachblindheit nicht aus dem Auge verlieren“, appelliert Haar. Besonders seien ihm die bereichernden persönlichen Begegnungen, die er weiter pflegen will.
Ein einschneidender, schmerzlicher aber notwendiger und mit viel Arbeit verbundener Schritt sei die Reduzierung der Stelle der Geschäftsführung von 75 auf 50 Prozent gewesen. Haar freut sich freut, dass Renate Schwarz gegen Ende des Jahres die Nachfolge von Jörg Beurer antreten wird. Sie ist die erste Frau überhaupt in dieser Position. „Wir sind auf gutem Wege, aber noch lange nicht über dem Berg“, betont Haar. Es bedürfe weiterer Anstrengungen, um die Angebote des Verbandes, um die Geschäftsstelle mittelfristig zu sichern.
„Meine Aufgabe habe ich als Dienst an der Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern verstanden, die von Christus gehalten und sich gegenseitig befähigen und unterstützen zum Zeugnis und Dienst“, sagte Haar zum Abschied. Von Herzen dankt er allen, die „mit uns unterwegs sind und die Hand anlegen bei dem Werk, das uns anbefohlen ist.“
Neben diesen Hauptrollen ist Haar auch stets kirchen- und sozialpolitisch unterwegs. Er ist 18 Jahre lang Mitglied der Landessynode, initiiert mit anderen den Tübinger Arbeitslosentreff, ist lange Zeit aktiv im evangelischen Jugendwerk und in vielem mehr. So ganz lassen kann er jetzt im auch im zweiten Ruhestand immer noch nicht. Er bleibt im Kirchengemeinderat seiner Heimat Remmingsheim, Vorsitzender von Timo einem Seelsorgeverein, und bleibt Teil der Mitgliederversammlung der Sophienpflege, die sich der Jugendhilfe widmet. Es ist ihm nach wie vor Verpflichtung, die Stimme zu erheben, für die, die sonst kein Gehör finden.
Auch private Aufgaben warten auf Haar. „Als sechsfacher Opa kann ich meine erzieherischen Erfahrungen gut anwenden“, freut er sich, dass ihm jetzt bestimmt nicht langweilig wird. Er freut sich drauf.
Text: Thomas Faulhaber
Statements zu Horst Haar
Verabschiedung 11. November 2023
Diakonin Beate Vogelgsang, Mitglied der Delegiertenversammlung des Karlshöher Diakonieverbandes:
„Er ist ein knitzer Schwabe, belesen und bodenständig.“
Diakon Gerhard Gasser, ehemaliger Diakonischer Vorstand der Stiftung Karlshöhe Ludwigsburg:
„Horst hat in seinem Ehrenamt als Vorsitzender vorgelebt: Ehrenamt ist für ihn keine Arbeit, die nicht bezahlt wird, Ehrenamt ist Arbeit, die unbezahlbar ist.“
Christine Rempp, Mitglied der Delegiertenversammlung des Karlshöher Diakonieverbandes:
„Es war geradeheraus, was Horst Haar sagte. Man konnte spüren, wo er steht. Vom Leben her, vom Glauben her. Das zeigten besonders auch seine Einstiegsimpulse zu den Sitzungen, die sehr anschaulich und lebendig waren. Und er war immer persönlich ansprechbar. Er pflegte einen pragmatisch-liebenswürdigen Stil, wenn er die Sitzung leitete; Humor war immer schnell dabei, insbesondere, wenn es sich mal an einer Stelle ‚verhakte‘ und er konnte über sich selbst lachen. Er ging die Dinge optimistisch an, lebte und strahlte einen hoffungsvollen Glauben aus. Ansteckend.“