Jana Zemljic – AZK-Absolventin und Influencerin
„Ich jammere nicht, ich kläre auf“
Jana Zemljic (21), die 2020 im Ausbildungszentrum (AZK) der Karlshöhe ihren Hauptschulabschluss machte, erklärt als Influencerin in ihren Videos, was es heißt, behindert zu sein, und erzählt schonungslos von ihren Erlebnissen als Mensch mit einem Handicap.
AZK-Absolventin Jana Zemljic (Foto: Maxim Kovalenko, Lichtgut)
Lassen Sie uns über Ihre Blogs sprechen: Wie kamen Sie auf die Idee?
Jana Zemljic: Es geht mir vor allem darum aufzuklären, was eine Behinderung ist. In der Jugendsprache ist das Wort „behindert“ leider ein mit Vorurteilen behaftetes Synonym für unterbelichtet, für blöd. Ich möchte in meinem Kanal darüber aufklären, was Sache ist. Möchte zeigen, wovon die eigentlich reden, wenn sie einen fragen, ob man behindert ist.
Werden Sie das oft gefragt?
Ja. Und weil ich eine Behinderung habe, sage ich natürlich Ja. Darauf bin ich sogar schon ausgelacht worden. Das finde ich nicht in Ordnung. Das hat mich ziemlich genervt. Weil die Menschen da draußen nichts dagegen machen, dachte ich, mache ich das jetzt halt selber. Ich habe eine Meinung, und die soll Gehör finden.
Wie kamen Sie auf die Idee, das über YouTube zu machen?
Mein Patenonkel hat mich darauf gebracht. Das erste Video habe ich auf Instagram hochgeladen. Mein Onkel ist Sozialpädagoge und Schauspieler. Der hat gesagt: Das muss weitergehen, die Menschen müssen aus deinen Videos lernen. Probiere es einmal über YouTube.
Wie kam es zu Ihrer Behinderung?
Das war ein Unfall bei meiner Geburt. Als mein Kopf heraus wollte, hat er die Nabelschnur abgeklemmt. Ich bin im Bauch gestorben und nachher wiederbelebt worden. Aber durch den kurzen Tod sind gewisse Zellen im Gehirn abgestorben, die die Signale an den Körper weiterleiten. Infantile Zerebralparese nennt sich das. Das ist praktisch so, wie wenn der Funkempfang nicht tut; dann knistert es ja auch im Fernsehen oder im Telefon, weil die Signale nicht deutlich ankommen. So ist es auch bei meinem Hirn und Körper.
Sie haben Schwierigkeiten, die Hände zu koordinieren. Woran liegt das?
An der Spastik. Das kennt man ja vom Sport. Wenn die Muskeln verkrampfen, dann zittern die. Und weil ich von Natur aus keine Körperspannung habe, muss ich dauerhaft krampfen, um laufen und sitzen zu können. Davon kommt das Zittern. Ich komme trotzdem klar, ist alles eine Sache der Übung. Wenn ich selbst nicht weiterkomme, sage ich: Hey, Leute, ich brauche Hilfe.
Wie viel Zeit brauchen Sie für einen Beitrag?
Ich drehe drei bis vier Videos pro Tag. Das Drehen ist ja in fünf bis sechs Minuten erledigt, aber fürs Planen brauche ich Zeit. Zwei bis drei Tage etwa. Ich habe ein Buch (sie blättert ein grünes Ringbuch mit eng beschriebenen Seiten auf), in dem schreibe ich Themen auf, mache zu jedem Video eine Headline und ein kleines Drehbuch: Was will ich sagen, warum will ich das sagen, wohin geht es. Ich möchte zudem Interviews mit Freunden machen, um neuen Stoff zu bekommen, und Interviews mit Müttern von behinderten Kindern, um deren Sicht auf das Thema aufzuzeigen.
Was machen Sie, wenn Sie einmal nicht bloggen?
Ich schreibe viel. Mit elf Jahren habe ich damit angefangen. Das hilft mir, an mir selbst zu arbeiten. Da vereinen sich Ergotherapie für meine Hände und Psychotherapie für das, was ich erlebt habe. Zurzeit arbeite ich an meinem vierten Jugendbuch.
Sind Ihre Bücher verlegt worden?
Leider nicht. Zwei habe ich bei Verlagen eingereicht, aber zwei Absagen bekommen. Beim dritten warte ich auf den Bescheid.
Welche anderen Ziele haben Sie?
Der Körperbehinderten-Verein Stuttgart (KBV) baut hinterm Milaneo an der Nordbahnhofstraße, dort kann ich in eine eigene Wohnung ziehen. Ich wohne dort dann ganz selbstständig, halt mit Rufknopf für den Notfall. Und ich will den Realschulabschluss nachholen.
Jana Zemljic bloggt unter dem Namen Jana JoHo auf YouTube. Das Gespräch führte Barbara Czimmer.
(Mit freundlicher Nachdruck-Genehmigung der Stuttgarter Zeitung)